Ich hatte mich 1 1/2 Jahre darauf vorbereitet, einen Windhund zu adoptieren. Lange hatte ich im Internet recherchiert, alle Bücher gelesen und das Auto gegen ein großes ausgetauscht. Ich hatte gemeinsam mit dem Verein beschlossen, einen Hund von einer Pflegestelle zu adoptieren, da in unserer Familie weitere kleine Hunde leben. Er sollte mit Ihnen zurechtkommen und wenig Agressionspotential besitzen.
Dann war es soweit: Der richtige Hund war gefunden. Er lebte 3 Wochen auf der Pflegestelle und wurde als ruhiger, nicht reaktiver Hund beschrieben. Auch wurde gesagt, er könne ein paar Stunden alleine bleiben. Das hörte sich nach einem Glückstreffer an, schön war er obendrein. Ich wollte ursprünglich einen schwarzen Hund aufnehmen, weil diese es in der Vermittlung ja schwerer haben. Die Aufregung war riesig!
Als wir zu Hause ankamen, dauerte es wenige Tage, bis alle Hunde entspannt in einem Raum sein konnten. Unsere beide Kleinen, zwischen 4 und 10 Kilo, gewöhnten sich schneller als erwartet an ihren neuen Mitbewohner. Es bedurfte ein bisschen Übung, mit allen Dreien spazieren zu gehen. Mit Geduld klappte es aber bald ganz gut. Am Anfang war unser Großer noch schüchtern, mit anderen Hunden zurückhaltend und ruhig. In den Hundezonen zeigte er sich freundlich.
Alleinebleiben konnte er nicht, was wir nach einiger Zeit ausprobiert haben. Familie, Nachbarin und Hundesitterin waren organisiert, da wir berufstätig sind. Er sollte genügend Zeit haben, das Alleine Bleiben zu lernen.
Nach exakt 5 Wochen gab es einen Zwischenfall in einer Hundezone. Schon beim Hineingehen war er alles andere als freundlich zu sämtlichen anderen Hunden. Ich war in Begleitung von Vereinsmitgliedern. Wir vermuteten, dass es vielleicht an der Leine lag. Also leinte ich ihn ab, gab ihm aber vorher seinen Maulkorb. Bis jetzt hatte er sich ja immer gut verhalten.
Innerhalb von Sekunden sprintete er los, das Opfer war ein kleiner Hund, der sich zum Glück unter einer Bank in Sicherheit bringen konnte.
Die Kleinen waren an diesem Tag mit meiner Tochter und ihren beiden Hunden zu Hause geblieben.
Es war, als würde alles zusammen brechen. Wie sollte es weiter gehen?
Schon beim Betreten der Wohnung musste ich mich sehr zusammen nehmen. Der Schock saß tief. Als einer unserer Hunde zur Begrüßung kam, schoss bei mir die Angst ein. Ich beruhigte mich und versuchte mich zu entspannen.
Nach einer tränenreichen, schlaflosen Nacht traf ich schweren Herzens die Entscheidung, unseren lieb gewonnen Hund abzugeben. Ich konnte das Risiko, dass sich die Situation mit unseren Hunden wiederholt, nicht auf mich nehmen.
Ab diesem Tag, es war, als würde ein Schalter umgelegt worden sein, änderte sich sein Verhalten total. Er tolerierte fremde Hunde nicht mehr und sein Jagdtrieb steigerte sich enorm. Die Nachbarskatzen waren eine ständige Herausforderung. Es kam immer öfter zu schwierigen Situationen. Zu Hause wurde es immer schwieriger, denn auch die Kleinen hatten verlernt, auch nur kurze Zeit allein zu bleiben. Ich konnte nicht einmal mehr zum Postkasten gehen...
Zwei Wochen lebte er noch mit uns. Ich war in ständiger Alarmbereitschaft, bis der Verein beschloss, dass er zu seiner Pflegefamilie zurück durfte.
Mein Fazit ist, dass die Zeit auf der Pflegestelle zu kurz war, um wirklich beurteilen zu können, wie der Charakter eines Hundes ist.
Erst wenn er sich sicher fühlt, und das kann mehrere Wochen dauern, zeigt sich sein Wesen. Auch mit wachsender Bindung veränderte sich sein Verhalten. Trotzdem, er ist ein toller Hund, auch wenn er viele ‚Baustellen‘ hat.
Ich bin mir bewusst, dass nicht jeder Hund in jede Familie passt, jedoch davon überzeugt, dass jeder den in seine Familie passenden geretteten Hund finden kann.
Ich teile meine Geschichte, um anderen Mut zu machen, die vielleicht Ähnliches erlebt haben. Im Internet habe ich nur Geschichten von glücklichen Hunden mit glücklichen neuen Familien gefunden. Das entspricht nicht der Realität. Jetzt weiß ich, dass es kein ‚Versagen‘ ist, wenn es nicht funktioniert. Auch wenn es sehr traurig war, diesen Hund wieder abzugeben, bin ich heute davon überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Herzlichen Dank an Karin E.